Im Hintergrund von LinkedIn läuft inzwischen 360Brew – ein großes Sprachmodell mit rund 150 Milliarden Parametern. LinkedIn setzt nicht mehr auf eine Sammlung kleiner Einzel-Algorithmen, sondern auf ein zentrales Modell, das Inhalte, Profile und Interaktionen semantisch „liest“ und daraus einen möglichst passenden Feed baut.
Zuerst das Positive: Was wirklich besser geworden ist.
✅ In meiner Timeline tauchen deutlich weniger Kalendersprüche und „Glaub an dich“-Poster auf. Stattdessen sehe ich öfter Beiträge, die inhaltlich gehaltvoll sind.
✅ Dazu kommt: Beiträge leben länger. Ein Post ist nicht mehr nach 24 Stunden verbrannt, sondern bekommt oft noch Tage oder sogar Wochen später Reichweite.
✅ Man muss sich deutlich weniger an die Rezepte der LinkedIn-Gurus halten. Die ewigen Regeln – nur zu bestimmten Uhrzeiten posten, bloß keine Links im Beitrag usw. usf. – sind weniger wichtig.
Bis hierhin könnte man sagen: Alles richtig gemacht. Aber einiges nervt, eins besonders:
▶️ Mein Hauptproblem mit dem neuen Algorithmus ist der verstärkte Blaseneffekt.
Ich schreibe über KI. Ich lese über KI. Ich kommentiere KI. Für 360Brew ist das ein klares Signal: „Dieser Mensch interessiert sich für KI.“ Also bekomme ich – wenig überraschend – vor allem eines: noch mehr KI.
Das ist auf den ersten Blick logisch, auf den zweiten aber kurzsichtig. Denn ich will zwar über KI schreiben, aber ich brauche für meine Arbeit genauso Inhalte zu:
– Management und Führung
– Strategie und Geschäftsmodellen
– Organisation, Governance und Transformation
Also all dem, was Unternehmen ausmacht, in denen KI eine Rolle spielt. Diese Inhalte müssen inhaltlich nichts mit KI zu tun haben, um für mich hochrelevant zu sein. Gleichzeitig wären viele dieser Autor:innen perfekte Leser:innen für meine KI-Beiträge.
Der Algorithmus optimiert jedoch darauf, mich thematisch sauber zu verorten – und nimmt mir damit ein Stück themenübergreifende Reichweite. Mehr Tiefe im Thema, weniger Breite im Blickfeld.
Dazu kommen ein paar Nebeneffekte:
❌ Der Algorithmus scheint Gesichter zu lieben: Mein Feed besteht gefühlt zur Hälfte aus freundlich lächelnden Menschen, die in die Kamera schauen (so wie ich unten).
❌ Längere Sichtbarkeit der Posts ist gut, aber ein 3 Wochen alter Hinweis auf eine Veranstaltung, die vor einer Woche war? Braucht niemand.
Aber das nur am Rande. Worum es mir geht:
Ich habe kein Problem mit einem Algorithmus, der versucht, mich besser zu verstehen.
Ich habe ein Problem mit einem Algorithmus, der mich auf ein Themencluster reduziert.
Was mir fehlt, ist eine Möglichkeit, meinen Interessenmix bewusst einzustellen.
In meinem Fall zum Beispiel: „Ja, KI ist ein Schwerpunkt. Aber bitte versorge mich genauso mit guten Inhalten zu Führung, Strategie und Organisation – und zeig meine KI-Beiträge auch Menschen, die wegen dieser Themen hier sind.“
Das wäre mein Weihnachtswunsch an Linkedin. Vielleicht liest der Weihnachtsmann ja meinen Wunschzettel….

