Viele Unternehmen diskutieren noch über den KI-Einsatz im Recruiting. Doch währenddessen verändert sich der Bewerbungsprozess – still, schnell und von außen. Was das für HR bedeutet, wird oft unterschätzt.
In meinen HR-Workshops habe ich schon früh prognostiziert: Wenn KI-gestützte Textgeneratoren wie ChatGPT massentauglich werden, wird es eine neue Welle an Bewerbungen geben – schnell, effizient, aber in der Tendenz auch austauschbar.
Jetzt erleben wir genau das: Firmen melden einen stark steigenden Anteil KI-generierter Anschreiben und Lebensläufe – ein Phänomen, das bereits in einem aktuellen New York Times-Artikel reflektiert wird.
▶️ Mehr Bewerbungen – aber weniger Differenzierung.
Das Schreiben geht heute schnell: In wenigen Minuten entstehen Bewerbungsunterlagen, die professionell, höflich und glatt wirken – aber eben oft auch austauschbar. Die individuelle Handschrift fehlt. Für HR-Teams wird es dadurch deutlich schwerer, die echten Talente zu erkennen, die wirklich zum Unternehmen passen.
▶️ Mehr Bewerbungen – aber auch mehr Fiktion.
KI kann mehr als nur stilistisch helfen. Sie kann Qualifikationen „veredeln“, Stationen ausschmücken oder inhaltlich Lücken füllen. Das heißt: Der Wahrheitsgehalt von Lebensläufen und Anschreiben muss künftig noch kritischer geprüft werden – sei es durch Referenzchecks, strukturierte Interviews oder realistische Arbeitsproben.
▶️ Mehr Bewerbungen – aber keine vollautomatische Auswahl.
Der rechtliche Rahmen ist klar: Der EU-AI-Act verbietet es, automatisiert Bewerber auszusortieren, ohne menschliches Zutun. KI darf unterstützen – z. B. beim Vorsortieren oder Bewerten – aber die finale Entscheidung muss beim Menschen bleiben.
▶️ Was folgt daraus? Unternehmen sollten ihre Recruitingprozesse jetzt neu justieren:
– Mehr Augenmerk auf Authentizität statt nur auf Form.
– Neue Prüfverfahren, die über Textanalyse hinausgehen.
– Schulungen für HR-Teams im Umgang mit KI-informierten Bewerbungen.
– Und ganz zentral: Ein Bewusstsein dafür, dass Bewerber KI längst strategisch nutzen – und damit auch die Spielregeln verändert haben.
KI im Bewerbungsprozess ist kein Zukunftsthema mehr. Es ist Gegenwart – auf beiden Seiten.
Link zum NYT Artikel